REPUBLIK ÖSTERREICH

Europa-Denkmal
S t e i n   a u f   S t e i n

 

Ansprache

anlässlich der Enthüllung
des 1. EUROPA-DENKMALS

 

Dr. Benita Ferrero-Waldner
Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten

Oberwaltersdorf, Samstag, der 20. September 1997
10:00 Uhr

 

Es gilt das gesprochene Wort
   


Sehr geehrte Damen und Herrenl

 

Es ist mir eine besondere Freude heute - gerade als Frau - der Herrengilde von Oberwaltersdorf zur Errichtung des "EUROPA-DENKMALS" gratulieren zu können.

 

Es ist für mich von besonderer Symbolträchtigkeit, dass gerade hier, an einer Straße unweit des ehemaligen "Eisernen Vorhangs"  -  über die viele Jahrhunderte hindurch die unterschiedlichsten Völker gewandert und marschiert sind, dieses markante, steinerne Denkmal errichtet wurde und wie ein die Zeiten überdauernder Wegweiser in die Zukunft unseres vereinten Europa weist.

 

Vor 40 Jahren haben sich ein paar beherzte Politiker aus Ländern, die sich noch 1945 als Todfeinde gegenüberstanden, in Rom zur Unterzeichnung der "Römischen Verträge" mit dem Ziel getroffen, miteinander ein vereintes Europa zu bauen. Heute enthüllen wir ein Denkmal, das dank der Privatinitiative der "HERRENGILDE OBERWALTERSDORF" den Willen zum Aufbau und Zusammenhalt dieses vereinten Europas mit überzeugender Symbolik darstellt: aus jedem EU-Land wurde ein Steinblock gestiftet, zur Säule aufgebaut und fest verklammert. Wasser, das Element des Lebens, fließt über die Steine und wird in einem Becken aufgefangen, das aus Steinen aller österreichischen Bundesländer gebildet wird und damit die enge Verbundenheit unseres Heimatlandes mit dem Kontinent Europa darstellt.

 

Wie ein Rufzeichen mahnt dieses Denkmal vor jenen demagogischen Stimmen, die versuchen, die Menschen zu verunsichern und das friedliche Miteinander der Völker Europas umzukehren. Wie ein Zeigefinger erinnert uns diese Säule daran, dass es immer einfacher ist, altbekanntes Unheil zu beschwören, als Zukunftsvisionen zu entwickeln. Doch lassen wir uns davon nicht irritieren, weg mit dem Kleinmut, weg mit dem Pessimismus! Verschwenden wir unsere Energien nicht darauf, nach vermeintlichen Nachteilen zu suchen, sondern profitieren wir davon, vollwertige Europäer zu sein und identifizieren wir uns mit dieser EU, die unserem Land langfristig Frieden, Sicherheit und Wohlstand sichert.

 

Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union hat uns viele Vorteile, aber auch ein gesteigertes Maß an Verantwortung gebracht. Die Priorität in der österreichischen Europapolitik muss daher in den kommenden Jahren in der Erweiterung der Europäischen Union um unsere mittel- und osteuropäischen Nachbarn liegen. Wir sind selbst ein mittel- und osteuropäisches Land und damit das erste dieser Länder, das Mitglied der Europäischen Union geworden ist. Dank unserer historischen und kulturellen Wurzeln haben wir die einzigartige Chance, im Rahmen der Europäischen Union als Fürsprecher unseres Raumes zu fungieren - und das wird von uns auch erwartet! Darüber hinaus garantiert die Osterweiterung, dass unsere mittel- und osteuropäischen Nachbarn fest und dauerhaft in die Friedens- und Stabilitätsgemeinschaft des integrierten Europa eingebunden werden und trägt damit zur Bewahrung der Sicherheit und Stabilität unseres eigenen Landes bei.

 

Eines möchte ich hier aber ganz klar feststellen: Alle neuen Mitglieder müssen ausnahmslos den gesamten Rechtsbestand der Europäischen Union übernehmen. Dies gilt beispielsweise auch für den Sozialbereich, die Umwelt, die Wirtschafts- und Währungsunion, die Zusammenarbeit bei der Inneren Sicherheit wie in der Gemeinsamen Außenpolitik. Konkret heißt das, dass wir für besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Stichwort Grenzgänger -  legen werden, um unsere eigenen Interessen zu schützen.

 

Doch durch die EU-Mitgliedschaft unserer Nachbarstaaten wird die Ostregion Österreichs endlich wieder in ein offenes wirtschaftliches Umland eingebettet. Es ist schon richtig: mittelfristig ist damit zu rechnen, dass mehr Staatsbürger der neuen EU-Mitgliedstaaten dadurch in Österreich Arbeit suchen werden. Umgekehrt werden sich aber längerfristig die Wanderungsströme der Arbeitskräfte sicher ausgleichen. Genau aus diesem Grund brauchen wir bis zu diesem Zeitpunkt umfassende Übergangsmaßnahmen, um eine Belastung des Arbeitsmarktes in Österreich und in anderen EU-Mitgliedstaaten zu verhindern. Diese Übergangsfristen sollen den Rahmen für die beschäftigungs- und gesellschaftspolitischen Anpassungsprozesse schaffen. Dabei könnten diese Übergangsmaßnahmen zeitlich gestaffelt werden, so dass die Freizügigkeit in kontinuierlichen Etappen voll erreicht werden kann.

 

Bei der EU-Erweiterung wird aber auch der Bereich der inneren Sicherheit im Vordergrund stehen. Beim Abbau der inneren Grenzen in einer erweiterten Union muss meiner Überzeugung nach dafür gesorgt werden, dass unsere Sicherheit dadurch nicht verringert wird. Wir sollten daher schon vor dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen Ländern dafür sorgen, dass die erforderlichen Maßnahmen im Bereich der inneren Sicherheit getroffen werden. Ich meine daher, dass wir jetzt schon die Zusammenarbeit der Polizeikräfte und der Justiz der Beitrittswerber und der EU stärken müssen. Denn: mit einer der Erweiterung muss die Sicherheit der EU in den Osten "exportiert" werden.

 

Auch unsere EU-Partnern werden verstehen, dass Österreich über 1000 km EU-Außengrenze, welche demnächst auch "Schergen-Außengrenze" sein wird, zu sichern hat. Aufgrund seiner geographischen Lage im Herzen Europas haben wir daher vorrangiges Interesse an einer wirksamen Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Als klassisches Transitland ist Osterreich stets gefährdet durch Drogenschmuggel, Schlepperunwesen, Geldwäsche und Kriminaltourismus. Besondere Aufmerksamkeit wird hier auch der Gefahr der Unterwanderung der Wirtschaft durch Wirtschaftskriminalität zu widmen sein.

 

Eines hat Osterreich jedoch allen anderen EU-Staaten voraus: Wir waren schon einmal historisch zu früh - ein Vereintes Europa, ein Vielvölkerstaat mit gemeinsamer Finanz-, Sicherheits- und Außenpolitik, aber weitgehender Eigenständigkeit der einzelnen damaligen Kronländer. Wir haben, weit mehr als andere EU-Staaten, Erfahrung mit der Handhabung des Subsidiaritätsprinzips und des Ausgleichs divergierender Interessen. Es ist auch kein Zufall, dass die Sozialpartnerschaft, die uns Millionen von Streikstunden erspart hat, eine österreichische Erfindung ist.

   

Ziel muss es sein, dass unsere Bürger auch in einem größeren Europa auf optimalen Schutz vertrauen können. Denn: mit der Erweiterung muss die Sicherheit der EU in den Osten "exportiert" werden.

  

Wir können von Europa viel empfangen, wir können Europa aber auch viel geben. Die Krone des Heiligen Römischen Reiches, Symbol einer durch Jahrhunderte erträumten Friedensordnung unseres vielfältigen Kontinents, einer Friedensordnung, die jetzt endlich im Entstehen begriffen ist, ruht in Wien. Wir sind Europa und ich wünsche mir, dass das Europa-Denkmal der Herrengilde Oberwaltersdorf eines nicht allzu fernen Tages mitten im Herzen Europas stehen wird'

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 

   
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