Seit
vielen Jahren findet sich in regelmäßigen Zeitabständen
in Oberwaltersdorf eine illustre Runde höchst
reputierlicher Herren aus allen Gesellschaftsschichten
zusammen, um regionale Demokratie auf ihre Weise zu
leben und zu gestalten: Die Herren-Gilde. Der Männerclub
bereitete gerade sein 25 jähriges Jubiläum vor,
deshalb kam die Brunnen-Idee Zupans gerade zum richtigen
Zeitpunkt. Was diesem im harten Kampf gegen die
elastische Front der Bürokratie misslingen musste,
wurde im aufgeschlossenen Kreis philantropischer Bierokratie
mit herzlichem Beifall aufgenommen.
Zwischen
Kirche und Rathaus war sofort ein idealer Platz für den
geplanten Erste Europa-Brunnen gefunden. Ohne Lobbying
und weitreichenden diplomatischen Kontakten wurden von
einer Handvoll ganz normaler, aber von der Sache über
alle Maßen überzeugter Bürger, 15 Nationen dazu
gebracht einen großen Steinblock aus einem ihrer schönsten
Brüche zu schlagen, ihn zu einem Quader 60x40 cm zu
formen, anständig zu verpacken und per Fracht in ein
kleines Dorf irgendwo in der Nähe Wiens zu schicken.
Kostenlos versteht sich. Unglaubliche Geschichten
spielten sich hier auf internationaler Ebene ab. Ein
Zeitdokument der Kulturen und Mentalitäten in fünfzehn
verschiedenen Staaten Europas. Die Botschafter der
einzelnen Länder schalteten sich ein und überwanden
dadurch fürs erste schier unüberwindbare Sprach- und
Verständigungsprobleme. Während nun mit den Franzosen
über die Qualität des Steines an sich und den tieferen
Sinn des Projektes im Detail verhandelt wurde, wobei man
sich letztlich auf eine echte Rarität aus dem
exklusiven Granitsteinbruch im Vogesen-Massiv mit dem
Namen Rose des Senones einigte, war beispielweise aus
Schweden bis knapp vor der gesetzten Deadline so gut wie
kein Feedback zu erhalten. Praktisch in letzter Minute
wurde dann auch aus dem kühlen Norden noch ein
Steinblock angeliefert. In geradezu begeisternder
Zusammenarbeit, die sich rasch aufs ganze Dorf
ausbreitete, entstand, wie vorgesehen, pünktlich zum
20. September 1997 der erste internationale
Europa-Brunnen in Oberwaltersdorf.
An
diesem Tag geschah Europa in Oberwaltersdorf und endlich
gab auch "man" sich die Ehre zur Einweihung
des Europa-Brunnens: jeweils wenigstens ein Diplomat aus
allen Mitgliedsländern der Europäischen Union,
die fast geschlossen auftretende österreichische
Regierung, zahlreiche Abordnungen aus den anderen
Bundesländern, ein begeisterter Apostolischer Nuntius
und zahllos die öffentliche Prominenz jeder Provenienz
- sich
spiegelnd in der reportierenden Medienpräsenz, die für
einen Tag Oberwaltersdorf ganz nah an den Platz von Brüssel
rückte.
Als
Hauptpersonen, Gastgeber und neue Unionsbürger präsentierten
sich die Oberwaltersdorfer selbst. So begegneten an
diesem denkwürdigen und ausgelassenen Tag viele von
jenen, die auf Walter J. Zupans Idee den ersten Stein
werfen wollten - denen, die aus den Steinen europäischer
Länder in Handarbeit ein sichtbares Symbol für die
Einheit der Europäer geschaffen hatten. Es wurde ein
heiteres Fest vieler Europäer - für alle Europäer.
Und wer sich bis dahin noch nicht als solcher empfunden
hatte, wurde es hier und jetzt.
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